In unseren Köpfen würden wir in Alaska nicht nur atemberaubende Landschaft vorfinden, sondern auch kleine Hafenstädte. Wir würden durch Strassen schlendern. Uns kleine Läden anschauen. Andere Abenteurer treffen – die vielleicht sogar die 70 noch nicht erreicht haben. In einer urigen Bar mit den Ansässigen ein Bier trinken und die Geschichten von damals hören. Die Suche danach war vergeblich – bis jetzt. Dürfen wir vorstellen: Haines. Die kleine Stadt, die in 24 Stunden ihr Bestes gegeben hat.
Als wir ankommen gehen wir frischen Lachs essen und statten einer der beiden Bars im Ort einen Besuch ab. Wir dachten immer, die Zeiten der Countrymusic sind vorbei. Weit gefehlt!Amerikanischer Schlager erfüllt den Raum – und Mutti mit dem blauen Lidschatten singt begeistert mit. Nach der ersten Nacht auf dem Oceanside RV Park ließ die Sonne sich weiterhin nicht blicken. Auch gut. Ein Besuch im Visitor Center gibt uns eine Idee davon, welchen Trail wir am nächsten Tag gehen wollen. Wir nutzen die Zeit in der Library, um am Blog zu arbeiten und machen Stop in einem kleinen Café. Der Karottenkuchen dort ist unglaublich. Auf dem Rückweg entdecken wir zwei Weißkopfseeadler im Wipfel einer Tanne. Diese schönen, stolzen Tiere „unterhalten“ sich und klingen dabei wie erkältete Wellensittiche. Haines wurde zu unserem Ziel, weil Gary erzählte man könne dort Bären beim Lachs fischen beobachten. Die Dame im Besucherzentrum verrät uns, dass 17 Uhr die beste Zeit sei um zum Chilkoot River zu fahren. Schon auf dem Weg flippen wir völlig aus. Ein Grizzly widmet sich am Seeufer der Nahrungsaufnahme. Rechterhand, nicht weit von ihm, ein Campingplatz. Links ein Wohnhaus. So geht das also. Unsere Münder klappen langsam wieder zu und wir fahren weiter. Auf der Brücke des Chilkoot angekommen, sehen wir eine Bärenmama mit ihren zwei Jungen. Vielleicht 50 Meter von uns entfernt holt sie frischen Lachs aus dem Wasser. Als dann die Weißkopfseeadler ihre Bahnen über dem Fluss ziehen und Möwen direkt vor Mama Bär in die Lüfte steigen ist die Schönheit des Moments kaum auszuhalten. „Aus der Mitte entspringt ein Fluss“ kann dagegen einpacken! Die Drei wandern langsam zur Brücke, also in unsere Richtung. Immerzu wartet die Mutter auf ihre herumtollenden Kids. Seehunde schwimmen mit Lachs quer im Maul gegen den Strom. Inzwischen haben sich mehrere Menschen auf der Brücke versammelt. Die Bärin steigt die Steine hoch, die den Brückenpfeiler umgeben. Kurz danach klettert sie über die Leitplanke, schaut sich auf der Strasse um und holt ihre Jungen nach. Jetzt sind sie so nah, dass wir mehr Respekt vor Ihnen haben, als sie vor uns. Langsam gehen wir rückwärts von den Tieren weg. Mit so vielen Menschen drum herum, hat das ganze doch ein bisschen was von Zoo. Die sieben Kinder der Familie neben uns, rennen den Bären hinterher. Ob das eine gute Idee ist? Aber Mama Bär ist schon auf der nächsten Insel des Flusses. Und lässt sich einfach nicht aus der Ruhe bringen. Glücklich fahren wir zurück zu unserem Campingplatz am Wasser. Während wir das Abendessen zubereiten wird es dunkel. Die Wolken verschwinden. Hinter den schwarzen Gipfeln tauchen helle Lichter auf. Erst zaghaft, dann immer klarer. Nordlichter. Ernsthaft, das jetzt auch noch? Wie soll man denn diese letzten Stunden verkraften? In leichtem Grün breiten sie sich sphärisch aus und lassen unsere Frage unbeantwortet.
Mit dem Morgen kommt die Sonne. Endlich. Das Gefühl von warmen Sonnenstrahlen auf der Haut ist unbezahlbar. Wir frühstücken draußen und machen uns auf den Weg zum Mount Riley Trail. Er befindet sich drei Meilen südlich von Haines, gegenüber eines Parkplatzes. Die Beschilderung ist leicht zu übersehen. Der Weg selbst ist auch nur angedeutet. Man wandert durch tiefen Wald stetig bergauf. Sumpfige Teile sind mit Holzstegen überbrückt, große Farne und Pflanzen bedecken den Waldboden, Bäume ragen massig empor. Es hat etwas verwunschenes. Wären Feen um unsere Köpfe geflattert, hätten wir uns vielleicht nicht mal gewundert. Nach fünf Stunden fahren wir wieder Richtung Haines. Kurzerhand entscheiden wir noch einen Abstecher zum Chilkoot River zu machen. Leise Enttäuschung macht sich breit, als wir an der Brücke keinen Bär vorfinden. Und dann, auf dem Rückweg, ist er wieder da. Der Grizzlybär. Er watet tiefer ins Wasser und fängt direkt mit dem Maul den roten Fisch. Die Lachse kehren zum Laichen in das Gebiet zurück, in dem sie selbst geboren wurden. Auf ihrer Reise bekommen sie diese tiefrote Farbe. Kurz nachdem sie ihre Eier sicher abgelegt haben, sterben sie. Chilkoot River ist so ein Laichplatz. Dieser Fisch hat also einen irre langen Weg hinter sich und kurz vorm Ziel holt ihn dieser Bär aus dem Wasser? Manchmal ist die Natur wirklich gemein. Zurück in Haines bricht unser letzter Abend an. Wieder besuchen wir die Bar und gönnen uns einen Drink. Die Bedienung erzählt uns, dass sie eigentlich schon längst zu machen will. Jeder bestellt aber noch eine Runde und eine Truppe junger Mädels tanzt zwischen den Billardtischen. Wir stoßen auf Haines an. Ein Städtchen, das alles gegeben hat um das schlechte Wetter wieder gut zu machen.
Kommentare
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Oh mein Gott – wie wunderbar! Ich liebe Haines und seine bärig-schöne Umgebung allein durch Eure Beschreibung und die sagenhaften Fotos! Was für schöne Erlebnisse!!!
Jedes Mal wenn ich sehe das ihr einen neuen Eintrag gepostet hab, schießen mir die Tränen in die Augen…denn ich vermisse dich ganz schrecklich. <3 Doch jedes Mal wenn ich dann den Blog lese, trocknen die Tränchen weil ich so verdammt stolz bin…stolz, dass du dir endlich die nötige Zeit für dich selbst nimmst, endlich mal durch zu atmen, inne zu halten und Energie zu sammeln.
…wow – zum niederknien…alles!!!
Danke für diese herrlichen Berichte. Es ist wunderbar die schönen Text und die tollen Fotos zu genießen. Was für ein Erlebnis von dem er da schreibt. Wir wünschen euch viel mehr davon.
Herzliche Grüße aus Herdecke