Bis jetzt diente jeder Kilometer der reinen Streckenbewältigung. Schnell sollte es Richtung Alaska gehen. Arbeitet die Zeit, und vor allem die Temperatur doch gegen uns. Als wir aber in unseren Reiseführer für Westcanada schauten, kamen wir am Jasper Nationalpark irgendwie nicht vorbei. Immer wieder haben wir die Seiten dazu durchgeblättert. Es klang nach Natur, die größer war. Größer, als wir. Größer, als jedweder Zweifel. Verlockend. Na gut, dann also 800 Kilometer Umweg. Was macht das schon, in Relation zu 50.000 Kilometern Gesamtstrecke.
40 CAN $ später und die Erlaubnis zwei Nächte im Naturschutzgebiet zu blieben, fuhren wir dessen Strasse entlang. Und waren still. Die Bergkette der Rocky Mountains lag hinter grüngrauen Flächen. Die Seen und Flüsse in einem Türkis, dass die Vermutung, der Maler hätte sich vertan nicht so abwegig ist. Dazu ein Himmel, der das geschmackvoll Kitschige überschreitet. Abendröte auf beiden Seiten der Berge. Wir fragten uns, wie das physikalisch gehen soll. Konnten uns aber nicht weiter mit dem Gedanken beschäftigen; zu sehr waren wir mit Staunen beschäftigt. Das ist das Canada in unserem Kopf. Genau so. Wir fuhren zum Whistler Campingplatz. Er liegt tief im Wald und Warnungen vor Karibus, Hirschen und Bären häufen sich. Die Nacht war ruhig und wir konnten den nächsten Morgen kaum abwarten. Früh standen wir auf, um uns auf den Weg zum Maligne Lake zu machen – das Highlight des Parks. Das Wetter war uns hold und belohnte die Besucher mit strahlendem Sonnenschein. Man fährt ca. 30 Kilometer durch fantastische Landschaft, vorbei am Medicine Lake, der zu dieser Jahreszeit fast leer ist. Auf dieser Strecke sahen wir unser erstes Hirschpärchen. Mitten auf der Strasse. Alle Autos fahren in gedrosseltem Tempo, halten, geben den majestätischen Tieren Zeit ihren Weg sicher fortzusetzen.
Auf dem Parkplatz des Sees frühstücken wir und checken die Auswahl der Trails. Wir entscheiden uns nach einigem Hin- und Her für die Bald Hills. Einen 10,5 km langen Wanderweg, mitten im Wohngebiet von Grizzly Bären. Eine weitere eindringliche Warnung ließ uns stocken. War unsere Entscheidung gerade abenteuerlich oder schlichtweg gefährlich? Aber warum, war der Weg dann für Touristen überhaupt frei gegeben? Wir tasteten uns bis zur ersten Gabelung vor, um zu sehen, wie es sich so anfühlt. Dort trafen wir erneut das deutsche Pärchen, dass uns schon auf dem Parkplatz angesprochen hatte. Sie gaben Entwarnung. Eine ganze Gruppe sei gerade unterwegs und sie hätten schon zwei Paare auf der Strecke gesehen. Nun gut, dann konnte es ja nicht so schlimm sein. Zweieinhalb Stunden später standen wir auf dem Gipfel. Ohne Grizzly Bär. Keine Bäume mehr, rauer Schieferuntergrund, die Rocky Mountains, Wind und wir. Definiert man so vielleicht Glück? Die Schwere unserer Beine machte uns gemütlich, der Abstieg zog sich ein bisschen. Erschöpft und zufrieden wollten wir zurück nach Jasper. Doch erst hielten wir nochmal. Eine Reihe Autos stand am Wegrand und aufgescheuchte Touris davor. Immer ein Anzeichen für Tiere. Und tatsächlich: Ein Schwarzbär tappst durchs hohe Gras. Klein, massig und doch anmutig futtert er vor sich hin. In diesen Momenten merkt man: Wir, die Menschen, sind nur zu Gast in diesem großartigen Zusammenspiel, dass sich Natur nennt. Fasziniert schauen wir ihm eine Weile zu. Nach einer Nacht wild Campen und einem weiteren Hirsch, treffen wir morgens Martin. Er ist Canadier, mit T2 Bus und einem deutschen Vater. Wir setzen uns in den Birkenwald am Pyramid Lake in die Sonne und quatschen ein bisschen. Auch er ist wieder wahnsinnig hilfsbereit. Gibt uns seine Telefonnummer und spricht von der Volkswagen Community an der Westküste. Danach fahren wir, auf seine Empfehlung hin, die Strasse entlang des Snaring River. Wieder raubt uns die Landschaft den Atem. Der Indian Summer beginnt langsam. Nach vielen Kilometern stehen wir vor einer Einbahnstrasse. 19 Kilometer lang. Die Ein- und Ausfahrtszeiten sind genau geregelt. Wir fahren rein. Der Weg entpuppt sich als Abenteuer und das erste Mal testen wir, was der Synchro kann. Schlaglöcher, steile Schotterpisten, Kies und Matsch. Herrlich. Ein anderes deutsches Paar hat bei der Hälfte aufgegeben. Mit einem neuen SUV. Ja, ein bisschen stolz sind wir schon.
Es fängt an zu regnen. Wir sind traurig, als wir den Nationalpark wieder verlassen müssen. Aber: die Temperatur sinkt und der Alaska Highway wartet…
Kommentare
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Zu diesem Abstecher und euren tollen Fotos kann man euch nur gratulieren
Hach, das ist soooo schön!
Zu den Fotos kann man uns gratulieren, wir dürften ein klein wenig miterleben. was Eure Augen sehen. Und das was ich sehe, öffnet einfach das Herz und zeigt uns, wie klein und beschränkt unsere Alltagswelt doch ist.
Und wie gerne würde ich das auch alles „vor Ort“ sehen, die Luft atmen und die Gerüche, Geräusche und das Gefhl in mich aufsaugen.
Weiter so und danke für das Fenster zu Eurer Tour!