Der Kilometerstand zählt 35.000 km, als wir uns in den Süden Ecuadors aufmachen. Nach wie vor sind wir zu Viert und fahren eine Tour mit den Highlights des Landes ab. Jeden Tag wollen wir gemeinsam auskosten und so viel wie möglich sehen, ohne dabei Zeiten für Gespräche oder Pausen zu kurz kommen zu lassen. Der Süden macht es uns leicht, so viele schöne Sachen hält er für uns bereit.
Es ist früh. Das Ziel ist Alausí, die Bahn zur Teufelsnase. Online ist eine Beschreibung abenteuerlicher, als die andere. Reichlich gespannt treffen wir also am Bahnhof ein, um auf den Zug zu warten der sich mit Spitzkehren durch ein bergiges Tal windet. Zwei Stunden dauert die Fahrt, vorbei an sattem Grün und Flussläufen. Am Wendebahnhof mitten in den Bergen bekommt man ecuadorianisches Almuerzo und eine Tanzdarbietung von Einheimischen. Ganz klar, die Nummer ist auf Touristen ausgelegt. Ein ganz schöner Tagesausflug ist es in jedem Fall. Am selben Tag geht es für Gunnar, Petra, Marc und mich nach Cuenca. Die schönste Stadt Ecuadors. Ja, vielleicht trägt sie diesen Titel zu recht. Ein ausgiebiges Angebot an schönen Restaurants, netten Strassen und Plätzen, sowie heißen Quellen am Stadtrand machen diesen Ort sehr angenehm. Wir schlendern über den Blumenmarkt und den Plaza de Armas, gehen durch das Casa de Mujeres, wo Handwerk angeboten wird und flüchten vor einem Platzregen in ein nettes Innenhof-Café. Hier bekommen wir in einem Sport-/Campingladen endlich unsere lang ersehnten Gasdosen. Hey, wir sind genügsam geworden. Der Besitz neuer Dosen macht uns tatsächlich glücklich. Während wir uns das erste Mal auf der Reise eine Massage im Spa gönnen, besuchen Papa und Petra Ingapirca. Der Guide Segundo Flores ist so gut, wie empfohlen und die Beiden verbringen einen lehrreichen und wunderbaren Tag in Ecuadors berühmtesten Ruinen. Der Cajas Nationalpark erwartet uns am folgenden Morgen. Wir fahren zur Laguna Llavicu, um die man eine circa einstündige Wanderung machen kann. Völlig unerwartet findet man sich im Filmset von James Bond Skyfall wieder. Naja, natürlich nicht wirklich. Adeles Titelsong hätte trotzdem gut gepasst. Und dann erleben wir etwas, was es auf so kurzer Distanz wohl nur in Ecuador gibt. Mit jedem Kilometer, den wir uns auf Guayaquil zu bewegen steigt die Temperatur. Man kann fast zusehen! Und damit meine ich nicht die sprießenden Schweißperlen auf der Stirn beobachten. Die Vegetation wandelt sich von sattem, nassen Grün zu dichtem Urwald und letztendlich zu einem Stadtbild in dem die Hitze nur so steht. Von der größten Stadt in Ecuador haben wir nicht all zu viel erwartet. Immer wieder wurde uns gesagt, wie gefährlich und schmutzig es dort sei. Wir werden mehr als überrascht! Den restlichen Tag sitzen wir direkt am Fluss, trinken einen kühlen Eiskaffee und beobachten die Menschen, die die Promenade entlang laufen. Das gehört eindeutig zur Kategorie „entspannte Pause“. Mit einem super leckeren Frühstück, das einen ob der Möglichkeiten schon früh morgens völlig überfordert, starten wir in den Tag. Gestärkt erkunden wir das bunte und sehr stufige Viertel Las Peñas. Definitiv ein Highlight. Hat man sich schwitzend nach oben gekämpft, belohnt einen der Ausblick und der kleine Leuchtturm. Entlang der Avenida Simon Bolivar streift man dann durch ein kleines New York – Ecuadorstyle. Hält man weiter durch, steht man im Leguan-Park. Hier wohnen an die 100 Leguane mitten in der Stadt. In jeder Form und Farbe haben sie sich dieses kleine grüne Fleckchen zu Eigen gemacht. Vor lauter Echsen, solltet ihr aber die Kathedrale und das wunderhübsch renovierte Regierungsgebäude nicht vergessen. Es mag sicherlich unschöne Gegenden in Guayaquil geben, alles was wir jedoch gesehen haben, hat uns mehr als überzeugt.
Und weiter geht es nach Puerto Lopez. Hier sind die Ausläufer des großen Erdbeben angekommen. Aber auch hier, ist es für den „normalen“ Tourist nicht spürbar. Man muss die Umgebung schon genauer beobachten, um Risse in den Strassen zu entdecken oder zu sehen, dass die Ruinen mancher Häuser frisch sind. Wir beziehen die Zimmer einer Hacienda direkt am Strand. Ja, die Zimmer! Marc und ich nächtigen seit Monaten das erste Mal in richtigen Betten. Verrückt, was? Den ersten Tag verbringen wir am Strand des Naturschutzgebiet Los Frailles. Ein friedvoller, entspannter Ort um die Seele baumeln zu lassen. Später buchen wir eine Fahrt zur Isla de la Plata für den folgenden Tag. Die Isla de la Plata ist das Galapagos für den kleinen Geldbeutel und solche die Vögel lieben. Mit einem Boot fahren wir über das offene Meer. Eigentlich dauert die Fahrt etwas mehr als eine Stunde. Nicht bei uns. Auf halbem Weg streikt einer der beiden Motoren, so dass wir nur mit halber Kraft vorwärts kommen – oder besser, vorwärts schaukeln. Die zwei seekranken Passagiere leiden. Nach knapp drei Stunden ist es dann aber geschafft. Bei sengender Sonne teilt sich die Gruppe und erkundet auf zwei unterschiedlichen Routen die Insel. Wir sehen Blaufußtölpel, die nicht nur durch ihre türkisblauen Füße überzeugen, sondern auch durch ihren naja, etwas dümmlichen „Haarschnitt“. Etwas weiter finden sich hunderte von Fregattvögeln, die durch ihren roten Ballon am Hals ihre Paarungsbereitschaft zur Schau stellen. Freudig hüpft die ganze Gruppe zum Abschluss ins Wasser. Mit Schnorcheln erkunden wir auch die Unterwasserwelt der Isla. Bunte Fische und die ein oder andere Schildkröte kommen schon zu Besuch, als wir noch an Board sind. Nach weiteren drei Stunden zurück schaukeln sind wir geplättet, aber zufrieden wieder in der Hacienda. Nach einem weiteren Tag in Salinas, einer Stadt über die es nichts zu sagen gibt, ist es Zeit sich zu verabschieden. Wir begleiten Petra und Gunnar zurück nach Guayaquil und bringen sie zum Flughafen. Nach vielen Umarmungen müssen wir die Beiden gehen lassen. Sie fliegen zurück. Mit im Gepäck zwei Wochen in Ecuador vollgepackt mit Erlebnissen und schönen Erinnerungen. Über die wir uns wohl in vielen Jahren noch unterhalten werden. Danke für die schöne Zeit.
Marc und ich kehren um. Fahren zurück an den Strand. Wir wollen nach Montañita, um noch ein paar Tage auszuspannen, unsere weitere Reise zu planen und den Surfboard-Shaper Moreno zu filmen. Aus geplanten zwei, drei Tagen wird plötzlich eine Woche. Dieses Surfer-Dorf ist seltsam. Mit Charme und Schönheit überzeugt es nicht, auch die Menschen sind eher aus der Kategorie Partyfolk. Aber aus irgendeinem Grund können wir uns nicht von der entspannten Atmosphäre lösen, die dort herrscht. Wir verbringen unsere Zeit mit Blog schreiben, Video schneiden, Surfstunden und gutem Essen. Wir kämpfen mit den Wellen, genießen die Sonne auf der Haut und verpflegen eine Katzenmama mit ihrem zuckersüßen Nachwuchs. Nachts wackelt dann der Bus. Wir schrecken beide hoch. Erster Gedanke: nicht schon wieder ein Einbrecher! Wir schauen aus dem Dachzelt, klettern runter, kontrollieren die Umgebung. Nichts. Hier ist keiner. Am nächsten Morgen checken wir die Nachrichten. Ein Erdbeben der Stärke 6,8 hat das Land erneut getroffen. Erleichtert lesen wir die Info, dass es diesmal „nur“ Sachschäden gab. Unser erstes Erdbeben also. Wow. Der Gedanke war noch nicht zu Ende gedacht, da meldet sich ein komisches Bauchgefühl. Der Körper erkennt schon, was passiert, bevor dein Gehirn soweit ist. Die Augen haben keinen Orientierungspunkt mehr, alles bewegt sich. Erst undefiniert, dann ganz klar. Der Tisch, die Stühle, das Glas, der Bus. Ein zweites Beben mit Stärke 6,2. Und zum ersten Mal wird uns wirklich klar, wie es den Menschen hier im April ergangen sein muss. Hunderte Nachbeben dieser Größenordnung. Jeden Tag die Befürchtung, dass gerade Repariertes wieder in sich zusammen fällt. Meine Güte. Zwei Tage später packen wir zusammen. Ein langer Fahrtag steht bevor, wir wollen bis kurz vor die Grenze nach Peru. Schweren Herzens verlassen wir dieses wundervolle Land. Was soll man sagen? Wer nur wenige Wochen Zeit hat fährt nach Ecuador. Und sieht beinahe alles, was Lateinamerika zu bieten hat. Auf klitzekleinen 284.000 km².